Pressemitteilung Aktuell Deutschland 04. Oktober 2023

Deutschland: Ermittlungen kriminalisieren Klimaprotest

Das Bild zeigt ein Protestschild auf dem steht: "Klimaschutz ist kein Verbrechen"

Demonstration am 25. Mai 2023 in München gegen die Kriminalisierung von Klimaaktivist*innen der Letzten Generation

Amnesty International und Green Legal Impact (GLI) äußern menschenrechtliche Bedenken an den Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Klimaschützer*innen. Anlass ist die von Fridays for Future (FFF) eingereichte Beschwerde beim Landgericht München gegen die Ermittlungsmaßnahmen der Münchner Staatsanwaltschaft gegen die Letzte Generation, die nun auch FFF sowie eine Berliner Werbeagentur betreffen.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München gegen die Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sind mit schweren Grundrechtseingriffen verbunden und richten sich gezielt gegen zivilgesellschaftlichen Protest, so Amnesty International heute in einem gemeinsamen Statement mit dem Verein Green Legal Impact (GLI). Anlass ist die Beschwerde, die Fridays for Future (FFF) am Montag mit Unterstützung von GLI beim Landgericht München eingelegt hat. Dieser Fall verdeutlicht, dass solche Maßnahmen zivilgesellschaftliche Handlungsspielräume einschränken und ein verheerendes Signal an klimapolitisch engagierte Menschen senden.

Wie die Letzte Generation waren auch FFF im Frühjahr dieses Jahres von den Ermittlungsmaßnahmen der Münchner Staatsanwaltschaft betroffen. Wegen des Vorwurfs der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" (§ 129 StGB) hatten die bayerischen Ermittlungsbehörden mehrere Razzien in Deutschland durchgeführt. Bei den Durchsuchungen beschlagnahmten sie mutmaßlich auch Daten von tausenden FFF-Aktivist*innen von einer Werbeagentur in Berlin. Nach eigenen Aussagen hatten weder die Werbeagentur noch die betroffenen Aktivist*innen Verbindungen zur Letzten Generation. Einziger Zusammenhang war ein gemeinsam genutzter Zahlungsdienstleister.

Paula Zimmermann, Expertin für Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung ist sehr schwerwiegend und ermächtigt zu enorm weitereichenden Ermittlungsmaßnahmen. Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass der Anfangsverdacht für die Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen die Letzte Generation zu halten ist. Auftreten, Vorgehen und Ziel der Letzten Generation sprechen gegen die erforderliche erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Razzien, die Beschlagnahmung von Daten, Konten und einer Website sowie das Abhören eines offiziellen Pressetelefons sind hier unverhältnismäßig. Die Ermittlungen müssen sofort eingestellt werden.

Posting von Amnesty-Referentin Paula Zimmermann auf X (ehemals Twitter):

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Der Verdacht drängt sich auf, dass die Ermittlungen zu Abschreckungszwecken eingesetzt werden, um weiteren Protest zu unterbinden. Uns bereitet Sorge, dass Protest dadurch delegitimiert und dämonisiert wird, statt ihn als Ausübung eines Menschenrechts zu achten sowie als Kern einer lebendigen Zivilgesellschaft."

Emmanuel Schlichter, juristischer Referent bei Green Legal Impact Germany e.V., sagt: "Für den demokratischen Diskurs ist das Vorgehen gegen die Letzte Generation, aber auch gegen Fridays for Future und eine Berliner Werbeagentur Gift. Jeder klimabewegte Mensch läuft Gefahr, wegen seines politischen Engagements zum Ziel von Ermittlungsmaßnahmen zu werden. Das Vorgehen der bayerischen Behörden richtet sich im Ergebnis gegen die gesamte Klimabewegung. In Zeiten der Verfehlung unserer Klimaziele und einer eskalierenden Klimakrise ist das ein fatales Signal.

Aktivist*innen machen von ihrer grundrechtlich geschützten Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch. In einer freiheitlichen Demokratie ist das ausdrücklich erwünscht. Deshalb ist es nicht nur rechtswidrig, sondern auch undemokratisch, wenn Behörden die Adressen hunderter junger Menschen beschlagnahmen, nur weil sie für Klima-Streiks mit einer Werbeagentur in Kontakt standen."

Hintergrund

Der Straftatbestand §129 StGB wurde zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus geschaffen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zieht die Grenzen der Strafbarkeit sehr weit und geht über die Verfolgung einzelner Straftaten (z.B. Nötigung, Sachbeschädigung) hinaus. Weil jede Beteiligung und Unterstützungshandlung potentiell strafbar sein kann, geraten viele unbeteiligte Menschen und Organisationen im Umfeld der Bewegung ins Visier der Ermittlungen. Die damit verbundene Verunsicherung, Stigmatisierung und Einschüchterung kann Menschen davon abhalten, sich künftig an Protesten zu beteiligen.

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