Aktuell Finnland 03. September 2010

Wir haben unseren Sohn verloren

Interview mit Eve Jaakkola
Jyri Jaakkola

Jyri Jaakkola

25. August 2010 - Am 27. April 2010 griffen etwa 20 bewaffnete Männer im mexikanischen Bundessstaat Oaxaca einen Konvoi mit Menschenrechtler_innen, politischen Aktivist_innen und Journalist_innen an.

Der Konvoi bestehend aus 25 Personen und fünf Fahrzeugen befand sich auf dem Weg zur Indigenengemeinde San Juan Copala, um dringend benötigte Nahrung und Medikamente dorthin zu bringen.

Bei dem Angriff wurden zwei Menschen getötet: Beatriz Alberta (Bety) Cariño Trujillo und der junge Finne Jyri Antero Jaakkola. Beide waren Menschenrechtsverteidiger_innen.

Beatriz Cariño, getötet 2010

Beatriz Cariño, getötet 2010

Seit ihrem Tod kämpfen der Ehemann von Bety und die Eltern von Jyri für Gerechtigkeit. Sie wollen, dass die Verantwortlichen dieses Verbrechens ermittelt und vor Gericht gestellt werden.

Jyris Eltern haben sich entschlossen, nach Mexiko zu reisen. Am Vorabend der aufwühlenden Reise hatte Amnesty International Gelegenheit, mit Jyris Mutter Eve Jaakkola, zu sprechen.

Welche Absicht verfolgen Sie mit der Reise?

Eve Jaakkola: Wir haben unseren Sohn verloren und möchten Gerechtigkeit für ihn. Wir reisen nach Mexiko, um zu erfahren, wie die Ermittlungen zu Jyris und Bety Cariños Tod vorankommen. Wir halten es für sehr wichtig, dass der Mord an ihnen korrekt untersucht wird und die Verantwortlichen angemessen bestraft werden. Bisher scheinen die Untersuchungen voranzukommen und wir vertrauen darauf, dass die Behörden den Fall aufklären wollen.

Was haben Sie in Mexiko vor?

Wir werden zuerst die Anwält_innen der Opfer treffen. Sie werden uns über die Situation informieren, wie die Untersuchungen laufen und wie sie weiter vorgehen möchten. Sie machen sehr gute Arbeit und wir haben Achtung vor ihrem Engagement, bei Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit für die Betroffenen zu fordern. Ich glaube, sie brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können und wir möchten mit ihnen zusammenarbeiten und hören, was sie zu sagen haben.

Was hat Jyri von Finnland nach Mexiko gebracht?

Jyri hatte viele Jahre in verschiedenen finnischen Organisationen gearbeitet und engagierte sich für Gerechtigkeit, außerdem arbeitete er zu fairem Handel. Aber er fand, fairer Handel sei nicht genug. Ich würde sagen, er wollte eine gerechte Welt. Gerechtigkeit war für ihn wichtig, aber eben Gerechtigkeit für alle, nicht nur für die Reichen in den Ländern des Nordens. Jyri lernte durch die Mexikaner_innen ein neues Konzept kennen, das ihm sehr bedeutend und besonders schön erschien. "La vida digna", ein Leben in Würde.

Er erläuterte in seinem Blog, dass er ein würdevolles Leben und Selbstachtung für alle wollte. Jyri arbeitete dafür, dass alle Menschen dieser Welt ein "vida digna" haben könnten. Deswegen ging er nach Mexiko. Er wollte mehr über das Leben von Indigenen erfahren.

Was beeindruckte ihn in Mexiko am meisten?

Er war sehr an der indigenen Lebensweise, den autonomen Bewegungen und ihren Gemeinschaften interessiert, wie ihr tägliches Leben verlief. Er sprach auch über den Klimawandel. Er wollte diese Erfahrungen mit den Menschen in Mexiko teilen.

Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen setzen sich dafür ein, dass die mexikanische Regierung Menschenrechtsverteidiger_innen schützt. Glauben Sie, dass Ihr Besuch dieses Thema in den Fokus rücken wird?

Ich hoffe es. Ich hoffe es sehr. Wir wissen, dass Menschenrechtsverteidiger_innen in Mexiko unter schwierigen Bedingungen arbeiten. Jyris und Betys Fall ist nur ein Beispiel dafür. Wir versuchen, Menschen zu helfen, die Unterstützung brauchen.
Durch den Kampf der mexikanischen Regierung gegen die Drogenkartelle richtet sich das Medieninteresse allein auf dieses Thema. Glauben Sie nicht, dass sich die Regierung auf dieses Problem konzentrieren muss und vielleicht keine Möglichkeit hat, an der Lage der Menschenrechtler_innen zu arbeiten?

Ich weiß, dass der Drogenhandel ein Riesengeschäft ist, aber ich glaube, dass die Regierung auch für die Grundrechte der Menschen sorgen muss. Daran arbeiten Menschenrechtsverteidiger_innen. Ich glaube, es ist wichtig, über sie zu sprechen, zu wissen, was sie tun und sie in ihrer Tätigkeit zu schützen. Das ist die Verantwortung der Regierung.

Wie geht es Ihnen damit, an den Ort zu reisen, an dem Ihr Sohn ums Leben kam?

Ich will unter anderem deshalb nach Mexiko, um den Ort zu sehen und zu spüren, wo unser Sohn seine letzten Monate verbracht hat. Wir möchten seine Freund_innen kennenlernen und die Menschen, mit denen er gearbeitet hat. Irgendwie wollen wir seiner Spur folgen, die Menschen besuchen, mit denen er zusammengelebt hat und hören, was sie uns aus den Wochen vor seinem Tod erzählen können.

Ich weiß nicht, wie wir damit fertig werden, ich habe auch Angst davor. Aber wir möchten es gern tun. Es gibt nichts Schlimmeres als ein Kind zu verlieren. Wir wissen, dass er in Mexiko, in Oaxaca glücklich war. Er liebte Oaxaca und die Menschen, die jeden Tag mit ihm teilen wollten. Er wollte ein Jahr lang bleiben, es wurden nur zwei Monate, aber er war dort glücklich.

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