Blog Iran 14. Mai 2012

Gegen alle Widerstände

Im Einsatz für die Menschenrechte: Peggy Kurpiers bei einer Demonstration gegen die Todesstrafe im Iran am 12. März 2011 in Bremen.

Seit 42 Jahren setze ich mich als Mitglied von Amnesty International für verfolgte Menschen ein. Noch in den 1970er Jahren wurden wir für unser Engagement regelmäßig angefeindet. Doch davon haben wir uns ebensowenig unterkriegen lassen wie von Rückschlägen. Denn das Beeindruckende an Amnesty ist, dass man nie alleine ist, sondern gemeinsam mit vielen anderen etwas bewirken kann.

Peggy Kurpiers (57) ist seit 1970 Mitglied bei Amnesty International. Die Förderschulleiterin war unter anderem in der Asylarbeit im Hannoveraner Amnesty-Bezirk aktiv und engagiert sich zurzeit in der Iran-Ländergruppe der deutschen Amnesty-Sektion.

 

Schon als Jugendliche stand für mich fest, dass ich Unrecht nicht einfach hinnehmen wollte. Das Tagebuch der Anne Frank hatte mich zutiefst erschüttert. Die deutsche Jüdin war fast in meinem Alter gewesen, als sie sich lange Zeit in Amsterdam vor den Nazis versteckt hatte und dennoch im Konzentrationslager Bergen-Belsen sterben musste.

Für mich war klar: "So etwas darf nie wieder passieren!" Doch es passierte immer noch. 25 Jahre nach Kriegsende wurden weltweit Millionen Menschen diskriminiert und verfolgt. Dagegen wollte ich etwas tun. Über eine Zeitungsannonce fand ich 1970 schließlich den Weg zu Amnesty International. Die Organisation war neun Jahre zuvor gegründet worden.

Doch mein Einsatz für die Menschenrechte traf nicht überall auf Zustimmung. Es war die Zeit des Kalten Krieges. Amnesty prangerte als neutrale Organisation nicht nur die Menschenrechtsverletzungen der Sowjetunion an, sondern auch die Menschenrechtsverletzungen der mit dem Westen verbündeten Diktaturen. Für nicht wenige galten wir deswegen als "linke Spinner". Ich hatte mich als Reaktion auf die Verbrechen des Dritten Reiches dem Schutz der Menschenrechte verschrieben. Doch bei Infoständen in der Fußgängerzone musste ich mir Anfeindungen anhören wie "Ihr gehört nach Auschwitz" oder "Euch hat man vergessen, zu vergasen".

Aber davon ließ ich mich nicht beirren. Ich kann sehr trotzig sein, und Rückschläge beflügeln mich eher. Dann sage ich mir: "Jetzt erst recht." Noch heute bin ich aktives Mitglied bei Amnesty. Das Beeindruckende an Amnesty ist, dass man nie allein ist, sondern gemeinsam mit vielen anderen etwas bewirken kann.

Von Anfang an war mir das Thema Frauenrechte sehr wichtig, in den achtziger Jahren war ich am Aufbau der Asylarbeit im Hannoveraner Amnesty-Bezirk beteiligt. Seit 2005 bin ich Mitglied der Iran-Ländergruppe der deutschen Sektion.

Gemeinsam mit vielen anderen etwas bewirken: Amnesty-Aktion in Hannover am 30. November 2007 gegen die Vollstreckung der Todesstrafe an Minderjährigen im Iran.

Der Einsatz für politisch Verfolgte kann einfach sein. Jeder hat die Möglichkeit, mit seiner Unterschrift unter eine Petition einem Menschen in Gefahr zu helfen. Bei mir beginnt dieser Einsatz schon zu Hause im Wohnzimmer: Wer zu mir zum Kaffee kommt, muss erst mal eine Petition unterschreiben. Jeder macht gerne mit, und wenn ich selbst einmal nicht daran denke, kommen Nachfragen ganz automatisch: "Sag mal, Peggy, gibt es denn heute gar nichts zu unterschreiben?"

In den vergangenen vier Jahrzehnten habe ich oft erlebt, dass man mit Einsatz und Durchhaltewillen viel erreichen kann, auch wenn es zuerst nicht danach aussieht. 1995 wurde einer kurdischen Familie Asyl gewährt, nachdem der Bundestag einer Petition zugestimmt hatte, die ich mit anderen initiiert hatte. Anfangs hatten alle gesagt: "Peggy, das schafft ihr nie".

Ähnlich war es auch im Fall einer Iranerin, die zehn Jahre lang inhaftiert gewesen war, davon drei Jahre in Einzelhaft. Neun Monate sperrten sie die Gefängniswärter in einer Toilette ein. Als sie 1991 entlassen wurde, floh sie in den Nordirak und begegnete dort wieder einigen der Männer, die sie gefoltert hatten. Ich erfuhr von ihren Fall über den Ehemann der Frau, den ich in Hannover in der Asylsprechstunde beraten hatte. Amnesty übernahm die Flugkosten der Frau, die nun als Handchirurgin gemeinsam mit ihren Mann gut integriert in Hannover lebt.

Doch bei der Arbeit zum Schutz der Menschenrechte musste ich auch immer wieder Rückschläge verkraften. Besonders berührt hat mich der Tod von Delara Darabi, für die ich als Mitglied der Iran-Ländergruppe die Aktionen deutscher Amnesty-Gruppen koordiniert hatte. Die 22-jährige Iranerin wurde am 1. Mai 2009 wegen Mordes hingerichtet.

Beteuerte bis zuletzt ihre Unschuld: Delara Darabi.

In ihrem letzten Gespräch mit ihrer Mutter machte sie noch Pläne für die Zukunft: "Wenn ich aus dem Gefängnis frei komme, möchte ich meine Ausbildung fortsetzen. Ich wäre gern frei. Einer der Richter hat versprochen, dass ich begnadigt werde", und sie fügte hinzu: "Mutter, ich bin unschuldig." Einen Tag später war Delara Darabi tot.

Doch solche Nachrichten sind für mich Ansporn, weiter zu machen. Denn wenn die Menschen im Iran ihren Mut noch nicht verloren haben, dürfen wir es erst recht nicht.

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